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23. Mai 23

Ecosystem Fitness: Business Ökosysteme als Frage des Organisationsdesigns

An organ cannot prosper in a dying body”. Mit diesen Worten mahnte der Managementvordenker Peter Drucker schon vor Jahrzehnten sehr plastisch, dass Organisationen – wie die Organe eines menschlichen Körpers – nur dann überleben und wirtschaftlich erfolgreich sein können, wenn auch die relevanten Umwelten, in denen sie agieren, lebendig und vital sind.

Dieser Gedanke hat in den letzten Jahren mit Business Ecosystems eine Renaissance erlebt. Zugleich ist dem Hype mittlerweile eine gewisse Ernüchterung gefolgt. Denn so einfach ist es oft nicht, federführend (als “Orchestrator”) ein Ökosystem von Partner*innen um die eigenen Aktivitäten herum aufzubauen, wenn dies gleichzeitig mehrere Organisationen versuchen. In gleicher Weise ist es für KMUs oft unklar, wie sie sich in neuformierenden Ökosystemen behaupten und weiterhin eine relevante und unverzichtbare Rolle einnehmen können.

Um hier Orientierung zu bieten, haben wir den Ansatz der Ecosystem Fitness entwickelt. Darunter verstehen wir zwei Dinge: Die Leistungsfähigkeit und Attraktivität eines Ökosystems (d.h. die Fitness des Ökosystems im Vergleich zu anderen, ggf. konkurrierenden Ökosystemen); und die Fitness der eigenen Organisation. Mit diesem Ansatz verbinden wir zwei, sich ergänzende Blickrichtungen auf das Organisationsdesign.

Zumeist konzentrieren sich Organisationen auf den Blick nach außen: Wie organisieren wir (zusammen mit anderen Akteur*innen) ein attraktives und leistungsfähiges Ökosystem? Aus dieser Weitwinkel-Perspektive sind Ökosysteme Meta-Organisationen oder Organisationen von Organisationen. Bei Ökosystemen richten sich Fragen zum Organisationsdesign also zunächst auf das Design des Ökosystems, d.h. der Koordination zwischen einer Vielzahl an unterschiedlichen Organisationen (siehe dazu z.B. Kretschmer et al. (2020): Platform ecosystems as meta-organizations. Implications for platform strategies. Strategic Management Journal).

Fragen von Autorität, Macht und Einfluss, wie z.B.: Wer kontrolliert die technologische (Kern-)Infrastruktur des Ökosystems (wie z.B. die genutzte, digitale Plattform)? Wie kann eine zentrale und/oder einzigartige Position im Netzwerk der Akteur*innen erreicht werden? Wie regeln wir Konflikte, z.B. zwischen Ökosystem-Orchestrator*in und Komplementäranbieter*innen?

Fragen nach Motivation/Anreizen zur Teilnahme, wie z.B.: Wer darf unter welchen Bedingungen Teil des Ökosystems werden? Wie exklusiv ist die Mitgliedschaft und welche spezifischen Ko-Investitionen sind erforderlich? Welche Anreize können geschaffen werden, damit die beteiligten Akteur*innen umfassende und qualitativ hochwertige Beiträge zum Ökosystem leisten und sich auch langfristig engagieren? Wie werden Verfügungsrechte, z.B. bezüglich der generierten Daten, geregelt? Wie kann die Verteilung der erreichten Wertschöpfung fair organisiert werden?

Fragen nach Governance und Koordination, wie z.B.: Wie kann Technologie genutzt werden, um Koordinationskosten zu senken? Wie gelingt ein Ausgleich zwischen offener Gestaltung und einer Steuerung des Ökosystems durch zentrale Entscheidungsrechte? Wie transparent gestalten wir das Governance-Modell und die strategische Roadmap?

Eine weitere Perspektive wird oft nicht ausreichend in den Blick genommen, ist aber genauso wichtig: Wie müssen wir uns selbst als Organisation neu oder anders aufstellen, um erfolgreich in den für uns relevanten Ökosystemen agieren und diese aktiv mitgestalten zu können? Diese Sichtweise erfordert einen Zoom in die eigene Organisation. Es geht dann um die klassischen Fragen des Organisationsdesigns. Tatsächlich erfordert Ecosystem Fitness oft eine grundlegende Transformation der bestehenden Organisation.  

Denn die Anforderung an eine gesteigerte Kooperationsfähigkeit nach außen verlangt eine entsprechende Kooperationsfähigkeit und Agilität innerhalb der Organisation. Organisationsstrukturen, Führungs- und Steuerungssysteme und vor allem horizontale und laterale Verknüpfungen zwischen bestehenden Organisationseinheiten müssen entsprechend auf den Prüfstand und ggf. angepasst werden. Folgende Fragen können dabei eine erste Orientierung bieten:

  • Ist unsere derzeitige Organisationsstruktur noch zukunftsfähig oder braucht es eine radikale Reorganisation in Richtung einer plattform-basierten Organisation?
  • Wie offen müssen wir unseren Strategieprozess gestalten? Bedarf es neuer branchen- oder sogar sektorübergreifender Kommunikations- und Kollaborationsformate?
  • Wie können wir unser Partnermanagement weiterentwickeln, um die steigende Zahl und Dynamik der Partnerschaften verarbeiten zu können?
  • Welche neuen Koordinationsmechanismen braucht es intern (wie z.B. cross-funktionale Teams oder Meetings), damit wir integrierte Nutzenversprechen zusammen mit Partner*innen entwickeln und liefern können?
  • Wie können wir Führungs- und Steuerungssysteme in Richtung collaborative leadership weiterentwickeln?

Eine Ökosystem-Strategie bleibt weiterhin zentral. Aber es gilt die organisatorischen Voraussetzungen für Ökosysteme – im Zusammenspiel mit anderen Organisationen und in der internen Organisation – noch mehr in den Blick zu nehmen und aktiv zu gestalten.

Wir freuen uns, mit Ihnen dazu ins Gespräch zu kommen. 

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